Если вы не являетесь зарегистрированым пользователем, пожалуйста зарегистрируйтесь. Пожаловаться на Regina_Trojansky
Die Frage ist:
Was macht eigentlich ein Physiotherapeut??
Physiotherapeuten müssen stets begründet entscheiden ob einem Patienten gerade mit Bewegung (oder dem gezielten unterlassen von Bewegung) zu helfen ist, oder ob (zusätzlich) ein anderer Spezialist (Arzt…) zurate gezogen werden muss.
Bei dieser Entscheidung helfen uns:
Das ICF Schema – (oder in anderen Worten) „Wie ein Physiotherapeut die Welt sieht“
Der „Clinical Reasoning“ Prozess (Hypothesenbildung und Prüfung)
Definition:
Heute: International Classification of Functioning, Disability and Health
Früher: International Classification of Impairments, Disabilities, and Handicaps
ICF - Deutsch
Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit
Das bedeutet, wir ergründen:
„Lokale funktionale Störungen“, die zu „Problemen bei alltäglichen Bewegungsabläufen oder Aktivitäten“ und somit unweigerlich zur „sozialen, partizipatorischen Beeinträchtigung“ des Menschen führen
> hier kommen Physiotherapeuten ins Spiel
ICF Stufe 1: Lokale Störungen
(Stichwort: Wo zeigt der Patient hin und worüber beschwert er sich?)
Typische lokale Befunde sind z.B.:
Bewegungseinschränkungen
Schmerzen
Spürbarer Kraftverlust
Mangelnde Ausdauer
Instabilität
… und vieles mehr!
ICF Stufe 2: Bewegungsablauf/Aktivität
Aktivitäten die häufig eingeschränkt sind oder Probleme machen sind z.B.:
Aufstehen/hinsetzen (Transfers)
Gehen/laufen/joggen etc.
Treppen steigen (aud/ab)
In die Hocke gehen/bücken
Einen Ball werfen/kicken/schlagen…
…und vom individuellen Patienten abhängig: vieles mehr!
ICF Stufe 3: Soziale Beeinträchtigung/Partizipation
Ausfälle bei ADLs/Hobbies/Beruf, die den Patienten stören (den subjektiven Leidensdruck erhöhen) wie z.B.:
Selbständig Einkaufen gehen
Teilnahme an sozialen Events
Ausüben des Sports/Hobbys
Beruf: Einschränkung einzelner wichtiger Abläufe im Arbeitsalltag bis hin zur vollständigen Berufsunfähigkeit
Typisches Physiotherapie Rezept: Funktionsstörung und Bewegungseinschränkungen von Körperteil XY
Wie kann ich Ihnen helfen???
Patient A sagt im Interview: „Mein Knöchel tut weh, ich kann damit nicht auftreten, so komme ich nicht zum Rentnertreff, das ist für mich sehr ärgerlich!“
ICF Problematik auf allen Stufen vom Patienten klar kommuniziert und die Therapieindikation ist gegeben!
Patient B sagt im Interview: „Ja ich weiß auch nicht warum ich hier bin…“ oder: „Na, ich hab‘ Ping“. (Ping ist Düsseldorfer Platt für Schmerzen)
Patient hat auf Nachfrage nur seine Funktionsstörung angegeben, um den Patienten also vernünftig nach ICF beurteilen und ganzheitlich wahrnehmen zu können müssen wir ihn zunächst noch gründlich ausfragen!
Das ICF Schema effektiv anwenden
Wie???
Während bzw. nach dem Interview das Patientenproblem nach ICF formulieren
Das heißt: möglichst auf den 3 Ebenen die erfragten Zusammenhänge beschreiben
> Struktur/Funktions- Aktivitäts- und Partizipationsebene berücksichtigen
> Wenn Unklarheiten bestehen: Beim Patienten noch mal genauer nachfragen!
ICF und Clinical Reasoning
Die Frage, ob dem Patienten über Bewegung zu helfen ist, kann man am besten beantworten wenn man sich zuerst fragt: warum hat der Patient überhaupt die angegebenen Beschwerden??
Die ärztliche Diagnose auf dem Rezept kann manchmal Hinweise darauf liefern
Wir fragen uns: „Was ‚hat‘ der Patient eigentlich?“, „Welche Struktur(en) ist(sind) für das auftreten dieses Problems verantwortlich?
Deshalb lernen Therapeuten das Aufstellen und Prüfen von Hypothesen durch Anamnese, Untersuchung und Probebehandlung
Daraus resultiert stets die Entscheidung: Kann ich den Patienten (weiter) behandeln oder sollte ich diesen an einen anderen Spezialisten überweisen?
Die wahrscheinlichste Hypothese gibt die Thematik der Probebehandlung
Fazit
ICF hilft euch beim formulieren angemessener Patientenziele
ICF gibt das nötige „Build up“ der Behandlungen vor, bis der Patient seinen Alltag wieder bewältigen kann
Der Patient kann stets auf seinen klar ablesbaren Fortschritt nach den eigenen Maßstäben hingewiesen werden
Ihr seid euch des „bigger pictures“ – des Patient in seinem sozialen Umfeld/in der Gesellschaft bewusst, nicht nur seines schmerzenden Knies oder seiner steifen Hüfte..!
ICF bietet euch eine einfache Struktur – auch bei komplizierten, multimorbiden Fällen: Ihr behaltet den Überblick!
***
Ziele aufstellen
Um euch beizubringen kleine, eng abgesteckte Ziele zu formulieren haben wir das SMART Prinzip adaptiert:
Zielsetzung aus dem ICF Problem ablesen
Ziel nach SMART formulieren
S – Spezifischkurz+prägnant, nur EIN Ziel
M – MessbarWie wird der Erfolg gemessen?
A – AttraktivSieht der Patient das Ziel ein?
R – RealistischWarum ist das Ziel möglich?
T – Terminiert (Zeit)Wie lange veranschlagst du?
Befund
Wir folgen immer der selben Struktur bei der Befundung unserer Patienten:
1. Anamnese
2. Inspektion/Observation (Anschauen, Funktionelle Tests)
3. Palpation (abfühlen/tasten)
4. Bewegungsprüfung (aktiv, passiv, gegen Widerstand)
5. Spezielle Tests, z.B.:
Gelenkspiel
Messen (Winkel, Länge, Umfang, Leistung, Atmung..)
Neurologische-, Ligament-, Muskeltests etc.
Diese Struktur dient der Bewertung der Hypothesen, die ihr möglichst vollständig im Befund überprüfen wollt!
Anamnese
Gespräch mit dem Patienten/Kunden
Ziel: Erfassung aller relevanten Daten
Bzgl. physischer und psychischer Gesundheit
Bzgl. Innerer und äußerer Faktoren (Stressoren)
Lebenssituation: Familienstand, Arbeit, Hobbies, Sport
Aktuelles Problem – Eingeordnet nach ICF
Möglichst vollständige Bildung von Hypothesen
Besteht eine echte Indikation für Physiotherapie?
Eine Anamnese…:
Soll zielorientiert sein
Kann offene und geschlossene Fragen beinhalten
Muss die Aussagen des Patienten bewerten. Sind diese Wahrheitsgemäß? Ist vielleicht ein mangelndes Krankheitsverständnis vorhanden?
Sollte niemals implizieren. („Aber es ist doch so, dass…“, „Ist es ein stechender Schmerz…?“)
Nach der Anamnese sind wir uns unserer Arbeitshypothese üblicherweise schon zu ca. 60% sicher
Hypothesen = Vermutung welche Struktur (ICF) das Problem des Patienten auslößt
Manchmal ärztlich vorgegeben – aber ggf. falsch oder (absichtlich) ungenau
Vor dem ersten Patientenkontakt sind die Hypothesen bzgl. betroffener Strukturen immer mindestens:
Es könnte sein, dass der Patient ein Problem hat mit..
Einem Muskel?
Einer Sehne oder einem Schleimbeutel?
Einem Ligament?
Einem Knochen?
Einem Gelenk bzw. dessen Knorpel oder Kapsel?
Einem Nerven?
(weitere Körperstrukturen sind grundsätzlich möglich)
Der Struktur soll außerdem immer eine mögliche Dysfunktion zugeordnet werden. Z.B.:
Läsion
Entzündung
Kompression
Fraktur
Ruptur
Hypermobilität/Hypomobilität
Und vieles mehr…!
Hypothesenbildung:
In der Anamnese beginnt man schon den aufkommenden Hypothesen (im Kopf) Wahrscheinlichkeiten zuzuordnen
Die Hypothesen werden im weiteren Befund geprüft und bewertet/nach ihrer Wahrscheinlichkeit sortiert
Am Ende steht die wahrscheinlichste ganz oben im schriftlichen Befund: Sie ist zunächst die Arbeitshypothese
Zum Beginn jeder Behandlung wird die Hypothese wieder in Frage gestellt und überarbeitet oder bestätigt – konstante Selbstreflektion ist gefragt!
-> Nie in eine bestimmte Hypothese festfahren – Erkläre dies auch so dem Patienten. Du hältst immer mehrere Erklärungen des Problems für möglich, du behandelst aber immer nur eine, damit ihr für die Zukunft wisst, was im Notfall hilft!
-> Fehler passieren häufig und werden nur dadurch zuverlässig erkannt/können ohne Unzufriedenheit des Patienten korrigiert werden
Vorwarnung Hypothesenbildung und Clinical Reasoning
Du wirst schnell feststellen, dass klassische orthopädische Patienten ohne Trauma/Event in der Historie gut mit dem oben beschriebenen „hypothetisch deduktiven“ Hypothesenkozept zu verstehen sind.
Etwas schwieriger wird es bei chirurgischen Patienten, bei denen du wesentlich mehr Auflagen zu beachten hast + die OP Nachwirkungen verschleiern ein mögliches darunter liegendes Problem.
Bei Patienten aus dem Inneren und Neurologischen Spektrum wird es immer komplizierter einen greifbaren strukturellen Bezug für eine Hypothesenbildung herzustellen. Es ist aber in vielen Fällen dennoch möglich und stellt eines der herausfordernderen Ziele deiner Ausbildung dar.
Allgemeine Struktur
1. Allgemeine Informationen
Voller Name
Geburtsdatum
Adresse
Datum
Überweisungsdiagnose/Datum letzte OP
Name verantwortlicher Arzt
Eingenommene Medikamente
Erste /fortgeführte Physiotherapie?
Name Therapeut
Spezifische Informationen
Erste Frage im spezifischen Teil: „Wie kann ich ihnen helfen..?“ „Was kann ich für sie tun?“
Zunächst offene Fragen nutzen, Patienten den Beschwerdeverlauf erzählen lassen
Mit geschlossenen Fragen nötige zusätzliche Informationen sammeln
Hypothesen aufstellen/bewerten
Ohren auf bzgl. Yellow Flags/Red Flags
Bereits die akute Belastbarkeit des Patienten einschätzen
Schmerz
Trauma/Unfallhergang (falls angebracht)
Wie hat der Schmerz angefangen? (Onset)
Entwicklung bis heute
VAS Skala (Visuelle Analoge Skala 1-10)
24 STD Verlauf
Schmerzart (ziehend, brennend, stechend, dumpf, kolikartig, ausstrahlend, scharf, pulsierend, uvm..)
Linderung und Provokation im Alltag
Umstände zur Zeit der Entstehung des Schmerzes
Yellow Flags
Psychische Faktoren
Faktoren aus dem persönlichen Umfeld (extern/intern)
Positives Reinforcement
Krankheitsgewinn
Motivation
> und sonstige Faktoren die den Heilungsverlauf negativ beeinflussen könnten
>Wenn es Yellow Flags gibt: Befund kann zunächst weitergehen – Behandlung erfolgt aber mit Vorsicht
> Wenn die Behandlung nicht wirkt, muss das nicht eure Schuld sein
Red Flags
Grund zur Annahme das Physiotherapie kontraindiziert ist:
Akutes Fieber
Starker Gewichtsverlust in letzter Zeit
Frische Fraktur
Offene Wunden
Krebserkrankung
Akute Kardiovaskuläre Problematik
Akute Systemische Erkrankung
Schlechter Allgemeinzustand
Zusätzliche Quellen:
Angehörige (vor allem bei alten oder behinderten Menschen)
Rezept
Arztbriefe/ OP-Berichte
Kartei/Dokumentation
Kollegen
Informationen aus der Anamnese können destilliert werden und nach dem herkömmlichen hypothetisch deduktiven Konzept als „Patientenproblem“ einmal aus Sicht des Patienten notiert werden (ohne Fachbegriffe, nach ICF) und einmal aus Sicht des Therapeuten (mit Fachbegriffen, nach ICF)
> Einordnung in die ICF Tabelle, mit Umwelt- und persönlichen Faktoren
Wir haben das Konzept so adaptiert, dass das Problem nur einmal in das ICF Schema eingetragen wird, aus Sicht des Patienten, Fachbegriffe dürfen aber genutzt werden wo angemessen
Aus dem ICF Patientenproblem werden später kleine (Teil)Ziele formuliert und mit dem Patienten vereinbart
Zwischenmenschliche Skills/Kommunikation – Das kannst du beachten:
Erster Kontakt/Händedruck - Vorstellung
Positionierung Therapeut/Patient während des Gesprächs
Körperhaltung Therapeut (Arme/Beine, gesamt)
Offene Körperhaltung kommt besser beim Patienten an
Mimik und Gestik sollten angepasst sein, angemessener Augenkontakt
> vermeide das „resting bitch face“ und passe dein Energielevel so an, dass es etwas über dem des Patienten liegt. So wirkst du motivierend, aber nicht überfordernd
Sprache: Lautstärke angepasst, langsam und klar, freundlich. Fachbegriffe vermeiden oder erklären (z.B. bei der Sichtung von Arztbriefen)
Ermutigende Gesten während der offenen Fragen: „hm hm“, „Ich verstehe“, „tatsächlich? Ok..!“
Übe generell im Gespräch eine offene/rezeptive Attitüde
Moderiere/Leite das Gespräch. Das heißt du musst an passenden Stellen evtl. einschreiten und Richtungen vorgeben („erzählen sie mir mehr davon..“, „sie haben eben erwähnt, dass.. Ich möchte dazu mehr wissen…“)
Inspektion/Observation
Überblick über die Physis des Patienten
Respektvoll dem Patienten gegenüber – Professionelle Attitüde
Jeden Schritt erklären - kommunizieren
Unter guten Konditionen:
Räumlichkeit
Licht
Entsprechend gekleidet/entkleidet
In Unterwäsche, Frauen ziehen BH nur aus, wenn relevant (z.B. nach Mamma-Karzinom oder anderweitigen Lymphödemen), trotzdem stets Wünsche und Scham der Patienten berücksichtigen
Üblicherweise zunächst im Stehen
Standardisiert! Also immer gleich, damit die Patienten miteinander vergleichbar sind
Wie entkleidet sich der Patient? (ist eine ADL) Evtl. dabei zuschauen, mit Hinweis!
Schuhe anschauen (Abnutzung.. Einlagen, etc.)
Observation beginnt bereits beim abholen des Patienten aus dem Wartebereich – der Patient ahnt meistens nichts davon und gibt sich anders
Auf dem weg zur Kabine wird auch das Gangbild kurz beurteilt
Ausschau halten nach:
Sichtbare Defekte
Funktionelle oder Strukturelle Abweichungen, bzw. Defizite
Abnormale Ausrichtung/Haltung
Asymmetrien sind häufig – stehen sie aber mit der vermuteten Pathologie in Verbindung?
Auch Notizen machen zu:
-Haltungen die der Patient zwischendurch einnimmt
-wie bewegt sich der Patient?
-wie gibt sich der Patient? Attitüde?
-Compliance (macht er alles brav mit oder ist er ablehnend?)
-Anzeichen für Simulation, Übertreibung und Schmerzverhalten notieren
Ablauf:
Hinweis: Palpiert wird zunächst nur wenn bestimmte Orientierungspunkte nicht klar abgegrenzt werden können. Oft palpiert werde dann:
Beckenkamhöhe, SIAS, SIPS, Winkel zwischen SIAS und SIPS (<15°>?) Trochanter major, Tuber Ischiadicum, Kontour Wirbelsäule (bzw. Ausrichtung der Processi Spinosi)
Anschauen:
1. Ausrichtung an den Linien: Nase, Sternum, Bauchnabel (vorn)
> auch möglich ist: Vom Acromion zum höchster Punkt des Beckenkamms, bis zum vorderen Aspekt des lateralen Malleolus am Knöchel
2. Deformation
Strukturell (sind bei Ruhe observierbar, z.B. Frakturen, Skoliose, Kyphose, Torticollis…)
Funktionell (aufgrund von Haltungen z.B. Skoliose wegen Beinlängendifferenz oder ein Plattfuß beim stehen/gehen – verschwinden bei veränderter Haltung)
Dynamisch (aufgrund von Muskelkontraktionen, werden später untersucht)
3. Knöcherne Konturen. Abweichungen?
4. Weichteilkonturen (Muskeln, Haut, Fett) normal/symmetrisch? Muskelschwund?
> Faltenwurf, Schatten…
5. Extremitäten in gleicher Position? Symmetrisch? Muskeln? Farbe? Haarwuchs?
6. Farbe und Beschaffenheit der Haut normal? Abweichungen im Bereich der Problematik? Blaue Flecken oder Hämatome -> Blutung unter der Haut, teilweise distal der Verletzung. Trophische Zeichen nach Verletzung eines peripheren Nerven wie reduzierte Elastizität, glänzende Haut, Haarausfall/veränderter Wuchs, poröse Haut. Bläuliche Verfärbung heißt limitierte Blutzufuhr, Rötung heißt oft Entzündung.
7. Narben. Operationen in der (näheren) Vergangenheit? Rote oder weiße? Wucherungen? Blasen, Hornhaut, Geschwüre?
8. Krepitationen und andere Geräusche bei Bewegungen? Nur Relevant wenn sie etwas mit dem Patientenproblem zu tun haben
9. Hitze, Rötung, Schwellung, Schmerz und Funktionsverlust präsent? Akute Schwellung!
10. Patientenverhalten: kann anzeigen wie der Patient auf Untersuchung und Behandlungen vermutlich reagieren wird. Ängstlich? Rastlos? Gereizt? Depressiv?
11. Gesichtsausdruck. Müde? Verzerrt? Ängstlich?
12. Bewegt sich der Patient wie aufgefordert? Sind die Bewegungen normal?
Nach der Observation werden die notierten und markierten Funde mit den Hypothesen nach der Anamnese abgeglichen und ggf. Verbindungen hergestellt